Keine falsche Scham bei Jucken und Brennen im Intimbereich
Sie verursacht ein Jucken und Brennen im Intimbereich, Blasenbeschwerden, Schmerzen beim Sex, Risse und Vernarbungen. Die Liste der Beschwerden ist lange. Der Leidensweg oft auch, denn häufig wird die Erkrankung mit einer Pilzinfektion verwechselt. Die Rede ist von Lichen sclerosus – kurz: LS.
Hinter diesem seltsamen Namen - das „Lichen“ wird wie Licht und nicht mit einem „tsch“ wie in Lychees ausgesprochen – verbirgt sich eine Autoimmunerkrankung. Das heißt, LS wird nicht von Viren, Bakterien oder Pilzen verursacht, sondern von einer überschießenden Reaktion des Immunsystems, bei der körpereigene Strukturen – Zellen und Organe – angegriffen werden. Aus diesem Grund ist LS zwar nicht ansteckend, aber kann vererbt werden.
Unbekannt, aber nicht selten
„Jede 50. Frau ist davon betroffen. Es gibt bereits Mädchen im Windelalter, die diese Erkrankung haben“, erzählt Bettina Fischer vom Verein Lichen Sclerosus, der Selbsthilfe und Aufklärung bietet, und ergänzt: „Laut Studien haben 30 % der Frauen nach der Menopause damit zu kämpfen.“ Die Dunkelziffer dürfte höher liegen. Dazu kommt, dass auch Männer von LS betroffen sein können (siehe Infobox).
Vielfach geht die Krankheit mit einer Schilddrüsenüber- oder unterfunktion einher. Auch chronische Schmerzen an der Vulva („Vulvodynie“) können LS begleiten. „Wir schätzen, dass zwischen 25 und 30 % der von LS betroffenen Frauen zusätzlich auch unter dieser leiden“, sagt Fischer.
Der lange Weg zur Diagnose
Eines der größten Probleme bei LS ist die Zeit, die bis zur Diagnose verstreicht. Oft wird die Krankheit, die in Schüben auftritt, als Pilzinfektion oder Herpes fehldiagnostiziert. „Es beginnt mit einem Jucken und Brennen. Dann folgen Phasen, in denen es wieder besser ist. Anschließend fängt das Spiel von vorne an“, erklärt Gesundheitspark-Beirätin Hedwig Reuer, die ebenfalls beim Verein Lichen Sclerosus aktiv ist. Bettina Fischer ergänzt: „Häufig zeigen sich diese Symptome auch in Kombination mit diffusen Blasenbeschwerden“.
Letztere werden mit einem Urintest abgeklärt. Dieser zeigt jedoch dann häufig keine Bakterieninfektion an. In der Not greifen viele Betroffene zu rezeptfreien Medikamenten wie Scheidenzäpfchen oder -cremes. „Manche davon helfen ein bisschen, andere wieder nicht“, so Fischer.
Filmemacherin Ani Novakovic hat zu dieser Problematik sogar einen mehrfach preisgekrönten Film gedreht. „Cranberry Juice. (Mein) Langer Weg zur Diagnose Vulvakrankheit” – der Titel spielt auf das „Hausmittelchen“ bei Blasenentzündung an – will Frauen ermutigen. Denn im Film, wie in der Realität, ist die Krankheit mehr als „nur“ ein körperliches Problem. LS und Vulvodynie zeigen Tabus in unserer Gesellschaft auf.
„LS ist ein dermatologisches Krankheitsbild, aber die Gynäkolog*innen fokussieren in der Ausbildung mehr auf die Vagina, also die innenliegenden Partien, oder auf Brustkrebs. Häufig ist der äußere Bereich des Genitals, die Vulva, Niemandsland”, sagt Bettina Fischer und weist auch darauf hin, dass die medizinische Forschung bisher sehr häufig Männer in den Mittelpunkt rückt. Aus diesem Grund wurde das äußere weibliche Genital bislang weniger beachtet. „Zusätzlich kommt das Tabu der Frauen dem eigenen Schambereich gegenüber. Was ist wo? Viele Frauen haben keinen Plan. Wir sind eine vermeintlich aufgeklärte Gesellschaft heutzutage. Junge Frauen lassen sich überall piercen und tätowieren, aber sie haben oft keine Ahnung, was da wo und wie anatomisch funktioniert.“
Der kürzere Weg zur Diagnose
Ein möglichst frühes Erkennen von LS erspart Betroffenen nicht nur einen unnötigen Leidensweg. Frauen mit LS haben ein 3-5 % erhöhtes Risiko, an Vulva-Krebs zu erkranken. Mit einer richtigen und vor allem frühzeitigen Therapie kann es auf ein normales Niveau gesenkt werden.
Wichtig ist, dass Betroffene Hautärzt*innen bzw. Gynäkolog*innen aktiv auf LS ansprechen. Mit der Vulvaambulanz bietet das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried außerdem eine der wenigen Einrichtungen, die auf LS-Diagnose und -Therapie spezialisiert ist. „In dieser Ambulanz sind die betroffenen Frauen gut aufgehoben“, sagt Hedwig Reuer.
Bei der Diagnose wird zuerst mit freiem Auge, danach mit einer Videountersuchung (der sogenannten „Vulvoskopie“) die Vulva untersucht. Letztere hat den Vorteil, dass Aufnahmen gemacht werden können, um bei Nachuntersuchungen den Therapiefortschritt zu erkennen. „Der zweite Vorteil der Vulvoskopie ist, dass die Patientin mitschauen kann und sieht, wo die Veränderungen sind und wo sie behandeln muss“, erklärt Prim. Dr. Walter Dirschlmayer, Leiter der Vulvaambulanz.
Eine Biopsie – also eine Entnahme von Gewebe zur Sicherung der Diagnose – ist nur äußerst selten nötig. „Wenn das klinische Bild nicht eindeutig ist, wird diese manchmal vorgenommen“, erklärt Hautärztin Dr. Evelyn Durnig vom Gesundheitspark Barmherzige Schwestern Linz. „In diesem Fall wird eine 3 mm große Hautstanze durchgeführt.“
Nahezu beschwerdefrei mit der richtigen Therapie
LS kann nicht geheilt werden. Mit der richtigen Therapie ist jedoch häufig ein beschwerdearmes oder nahezu beschwerdefreies Leben möglich.
Am Anfang kommt eine spezielle Kortisonsalbe zum Einsatz. „Das ist das stärkste lokal wirkende Kortison, das wir haben. Eine richtige Anwendung ist wichtig, um lokale Nebenwirkungen wie die Ausdünnung der Haut zu verhindern“, erklärt Hautärztin Dr. Durnig. Viele Patient*innen sind zu Beginn skeptisch und fürchten Nebenwirkungen. „Bei Kortison ist eine umfassende Aufklärung wichtig“, sagt auch Prim. Dr. Walter Dirschlmayer und ergänzt: „Was wir in der Ambulanz immer wieder sehen, sind Frauen, die bereits eine Kortisontherapie hatten, aber diese zu niedrig dosiert oder nicht im richtigen Intervall gegeben wurde“. In der Vulvaambulanz erhalten Patientinnen eine genaue Anleitung und – nach drei Monaten – eine Kontrolluntersuchung.
Wichtig: Die Kortisonsalbe kann rasch Wirkung zeigen. Oft verschwindet etwa der Juckreiz nach wenigen Tagen. Viele Patientinnen machen dann jedoch den Fehler, die Salbe vorschnell abzusetzen – mit der Gefahr, dass das Intervall bis zum nächsten LS-Schub deutlich kürzer wird.
Um den lokalen Einsatz von Kortisonsalben reduzieren zu können, kommen auch sogenannte „Calcineurin-Inhibitoren“ zum Einsatz. „Diese dürfen von Gynäkologen nicht verschrieben werden, deswegen werden die Patientinnen zu Hautärzt*innen überwiesen“, sagt Dr. Durnig. Diese Salben sind entzündungshemmend und enthalten kein Kortison.
In extrem hartnäckigen Fällen reicht diese lokale Behandlung nicht aus. Die Betroffenen bekommen dann eine medikamentöse Therapie. „Es gibt auch Frauen, die einen derartigen Leidensdruck haben, dass selbst eine medikamentöse Therapie nicht reicht. Hier muss man unter Umständen auch operativ tätig werden, um den vernarbten Scheideneingang zu erweitern“, betont Prim. Dr. Dirschlmayer.
In den meisten Fällen sei aber die Therapie mit der speziellen Kortisonsalbe ausreichend, berichtet er. Diese begleitet die Patientinnen und wird im Rahmen einer Schub- und Erhaltungstherapie ein Leben lang eingesetzt.
Liebe deinen Körper
Um diese Episoden zumindest nicht zu provozieren, ist es ratsam, die Haut nach jedem Wasserkontakt mit rückfettenden Cremes, Salben oder Ölen zu pflegen. Auf enge Kleidung, parfümierte Duschmittel und Intimrasur sollte verzichtet und nasse Badekleidung sofort gewechselt werden.
Aber auch die Beziehung zum eigenen Intimbereich soll hinterfragt werden. Wie erwähnt, ist er vielen Frauen kaum bekannt und von Tabus behaftet. Hier wollen Bettina Fischer und Hedwig Reuer mehr Bewusstsein und Selbstvertrauen schaffen: „Erst wenn die Frau sagt, wo es genau schmerzt und nicht nur sagt ‚da unten‘, kann ihr wirklich geholfen werden. Wir Frauen müssen lernen, unseren Körper positiver anzunehmen und besser zu spüren.“
Titelfoto: Tilemahos Eftimidiadis – flickr – Creative Commons BY 2.0
Selbsthilfe
Der Verein Lichen sclerosus bietet dir auf www.lichensclerosus.at ein umfangreiches und seriöses Informationsangebot rund um LS. Er hilft auch bei der Suche nach qualifizierten Ärzt*innen und bietet Broschüren für diverse Zielgruppen an, u. a. auch für Kinder und Jugendliche.
Solltest du Beschwerden im Intimbereich haben, dann kannst du dich außerdem auf www.juckenundbrennen.eu über mögliche Ursachen informieren.
LS bei Männern
Bei Männern zeigt sich LS insbesondere durch Veränderungen der Hautfarbe am inneren Vorhautblatt und/oder der Eichel. Es kommt zu weißen Vernarbungen, Vorhautverengung und Entzündungen der Eichel. Im fortgeschrittenen Stadium kann LS die Harnröhre verengen, was zu Problemen und Schmerzen beim Wasserlassen führt.
Behandelt wird LS häufig durch eine Beschneidung. In einigen Fällen sind die betroffenen Männer danach beschwerdefrei. Da viele Beschneidungen aus religiösen oder anderen Gründen schon im Kinder- oder Jugendalter erfolgen, ist es möglich, dass viele potenzielle LS-Erkrankungen unerkannt bleiben und die Fallzahl auch bei Männern deutlich höher wäre.
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